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Deutsche Presseagentur (dpa), 19.5.04
(Diese Meldung erschien in verschiedenen Zeitungen Deutschlands)
KIRCHENKRITIKER KARLHEINZ DESCHNER WIRD 80
„Ich schreibe aus Feindschaft“
VON RUDOLF GRIMM
HASSFURT - Er ist ein unermüdlicher Kirchenkritiker: Karlheinz Deschner
(Bild), der an diesem Sonntag seinen 80. Geburtstag begeht, arbeitet nach
wie vor zwölf Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 50 Wochen im
Jahr, und das seit 50 Jahren. Er hat weit über 2000 Vorträge
und Lesungen bestritten und gilt vielen als bedeutendster Kritiker der
Kirche.
Sein Werk umfasst mehr als 15 000 Buchseiten. Seine Bücher sind in
mehr als einer Million Exemplaren verbreitet und in zwölf Sprachen
übersetzt. Wissenschaftler werfen ihm jedoch unwissenschaftliche
Arbeitsweise vor.
Vor zwei Monaten hat der im unterfränkischen Haßfurt lebende,
in Bamberg als Sohn eines Försters und Fischzüchters geborene
Autor den achten Band seiner „Kriminalgeschichte des Christentums“
vorgelegt – vom Exil der Päpste in Avignon bis zum Augsburger
Religionsfrieden (15./16. Jahrhundert). Bei guter Gesundheit hat er sogleich
den Rest dieses auf zehn Bände angelegten Werks in Angriff genommen.
Deschner sieht im Christentum, wie es die Kirchen verkörpern, eine
kriminelle Institution, der es, wie er einmal sagte, um „Macht,
Macht, Macht“ geht und die „religiöse Parolen und spirituelle
Verkündigungen immer vorgeschoben hat, um diesen Griff nach der Macht,
und zwar nach der ganz weltlichen, politischen Macht, zu kaschieren.“
Unter den früheren Arbeiten des 1952 wegen seiner Ehe mit einer evangelischen
Frau vom Würzburger Bischof exkommunizierten Deschners ist eine kritische
Kirchengeschichte von den Anfängen bis zu Pius XII. mit dem Titel
„Abermals krähte der Hahn“. Er hat auch eine „Sexualgeschichte
des Christentums“ verfasst und eine „Geschichte der christlichen
Dogmen“, ferner zwei Bände über die „Politik der
Päpste im Zeitalter der Weltkriege“ und ein Buch über
den „Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler und Pavelic“.
In den 50er-Jahren schrieb Deschner auch zwei Romane.
Wissenschaftler haben seine kirchengeschichtlichen Darstellungen unter
manchen Aspekten als nicht akzeptabel bezeichnet. Unter ihnen ist der
katholische Theologe Hans Küng (Tübingen), der sich in mancher
Hinsicht selbst kritisch über seine Kirche geäußert hat.
1994 erschien ein Sammelband, „Kriminalisierung des Christentums?“,
mit 23 Stellungnahmen von Kirchenhistorikern und anderen Wissenschaftlern
verschiedener Konfession zur „Kriminalgeschichte“. Der Autor
räumte daraufhin ein, dass es darin einige Irrtümer, Fehler,
auch sachliche Schiefheiten gebe, glaubte aber, dass „das Korpus
insgesamt so unerschüttert bleibt wie die Titelthese.“ „Ich
schreibe aus Feindschaft. Denn die Geschichte derer, die ich beschreibe,
hat mich zu ihrem Feind gemacht“, begründet Deschner sein Schreiben.
Dazu sagt der emeritierte Professor für Kirchengeschichte an der
Universität Bamberg, Georg Denzler, der selbst mit kirchenkritischen
Texten hervorgetreten ist: „Eine solche Motivation kann niemals
die Basis für eine ernst zu nehmende Geschichtsschreibung sein.“
Denzler nannte in einer Stellungnahme anlässlich Deschners 80. Geburtstags
folgende Einwände von Wissenschaftlern: „Er kennt kein Quellenstudium,
er trifft eine höchst einseitige Literaturauswahl, interpretiert
gedruckte Quellen ohne Berücksichtigung des Zusammenhangs, nimmt
Einzelereignisse für das Ganze und täuscht einen gelehrten Anmerkungsapparat
vor, bei dem oft nicht zu kontrollieren ist, was behauptet wird.“
Ferner: Deschner sei kenntnisreich, doch mangele es ihm an historischem
Denken und historischem Urteilen.
Für den Freiburger Literaturprofessor Ludger Lütkehaus dagegen
ist es das Verdienst Deschners, auf die Gewalttätigkeit des Christentums
hingewiesen zu haben. Wer der von Deschner „gnadenlos nachgezeichneten
Blutspur“ von Christen folge, werde sich des Gesamteindrucks kaum
erwehren können: „Was hat die Geschichte des Christentums,
der Christentümer aus der Liebesreligion des Anfangs gemacht!“
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