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Diesseits (66/2004), 1.6.04
„Aufklärung ist Ärgernis…“
Zum 80. Geburtstag von Karlheinz Deschner
„Aufklärung ist Ärgernis, wer die Welt
erhellt, macht ihren Dreck deutlicher“, schreibt Karlheinz Deschner
in einem seiner Aphorismen und formuliert damit zugleich das eigene Lebensmotto.
Deschner ist die Personifizierung des aufklärerischen Ärgernisses,
ein Stachel im Fleisch der Zeit, an dem sich die Diskussion immer wieder
entzünden muss.
Mit unerbittlicher Konsequenz und einer sprachlichen Schärfe, die
an Nietzsche erinnert, deckt er seit vielen Jahrzehnten Ungeheuerlichkeiten
auf, die viele Zeitgenossen lieber für alle Zeiten verdrängen
würden. Dass er sich mit dieser offensiven Herangehensweise nur wenige
Freunde machen würde (gerade in der ängstlich-abwägenden
Welt der Wissenschaft), hat Deschner von Anfang an gewusst, aber das hat
ihn nicht davon abgehalten, den einmal eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen.
Am 23. Mai wird das „Ärgernis Deschner“ seinen 80. Geburtstag
feiern – ein willkommener Anlass, um das Werk und den Lebensweg
eines Mannes zu würdigen, der zwar zu Recht als „der wichtigste
Kirchenkritiker des 20. Jahrhunderts“ gilt, in dessen Schaffen es
aber weit mehr zu entdecken gibt als „nur“ Kirchenkritik.
Karl Heinrich Leopold Deschner wird am 23. Mai 1924 als ältestes
von drei Kindern in Bamberg geboren. Nach der Grundschule in Trossenfurt
besucht Deschner das Franziskanerseminar Dettelbach am Main, danach das
Alte, Neue und Deutsche Gymnasium in Bamberg. Wie seine ganze Klasse meldet
er sich direkt nach dem Abitur 1942 als Kriegsfreiwilliger und wird mehrmals
verwundet. Im Anschluss an ein kurzes Intermezzo als Student der Forstwissenschaften
hört Deschner 1946/47 an der Philosophisch-theologischen Hochschule
in Bamberg juristische, theologische, philosophische und psychologische
Vorlesungen. Von 1947 bis 1951 studiert er an der Universität Würzburg
Neue deutsche Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte, wo er
1951 zum Dr. phil. promoviert. Der im selben Jahr geschlossenen Ehe mit
Elfi Tuch entstammen die Kinder Katja (1951), Bärbel (1958) und Thomas
(1959 bis 1984).
Als Autor tritt Deschner relativ spät ins Licht der Öffentlichkeit,
mit 32 Jahren. Von starken Selbstzweifeln geplagt, hat er zuvor alles
verworfen, was er mühsam zu Papier gebracht hatte. Mit dem 1956 erschienenen
Roman „Die Nacht steht um mein Haus“ entlädt sich die
ins schier Unerträgliche gewachsene kreative Spannung mit ungeheurer
Wucht. Helmut Uhlig versucht die Besonderheit des Romans, der den Leser
wie eine Lawine überrollt und den Menschen Deschner deutlicher zum
Vorschein bringt als jedes andere Buch, so zu fassen: „Deschners
Aufzeichnungen liegen jenseits des Selbstmords, so wie Gottfried Benns
spätere Gedichte jenseits des Nihilismus liegen… Dieses Buch
wird schockieren… Genau besehen, ist es nichts anderes als die Krankengeschichte
unserer Zeit.“
Es hat den Anschein, als sei bei Deschner durch die Veröffentlichung
des Romans „der Knoten geplatzt“. Im Jahr darauf, 1957, fungiert
Deschner nicht nur als Herausgeber des Buchs „Was halten Sie vom
Christentum?“, sondern publiziert zudem seine literaturkritische
Streitschrift „Kitsch, Konvention und Kunst“, die durch heftige
Diskussionen in Presse und Rundfunk ungewöhnliches Aufsehen erregt.
1959 erscheint sein zweiter Roman „Florenz ohne Sonne“ und
1962 das Werk, mit dem Deschner erstmalig als historisch forschender Kirchenkritiker
auftritt: „Abermals krähte der Hahn“, ein Standardwerk
der modernen Kirchenkritik.
Auch wenn Deschner in der Folgezeit keineswegs nur religionskritische
Bücher veröffentlicht (beispielsweise erscheint mit „Talente,
Dichter, Dilettanten“ eine weitere literarische Streitschrift, mit
„Der Moloch“ eine kritische Geschichte der USA und mit „Für
einen Bissen Fleisch“ ein Plädoyer für den Vegetarismus),
so wird der Autor von nun an hauptsächlich als Kirchenkritiker wahrgenommen.
Nach jahrelanger Vorarbeit bringt der Rowohlt-Verlag 1986 den Ersten Band
der auf zehn Bände angelegten „Kriminalgeschichte des Christentums“
heraus. Deschner selbst hat sich wohl insgeheim mehr als einmal dafür
verflucht, dass er diesen „Krimi“ überhaupt begonnen
hat. Denn die Arbeit an der Kriminalgeschichte raubt ihm Zeit, die er
so gerne Angenehmerem gewidmet hätte – Zeit zum Leben, zum
Lesen, Zeit auch zum Schreiben seiner wunderbaren Aphorismen, eine Tätigkeit,
die ihn weit mehr befriedigt als das Durchstöbern historischer Quellentexte.
Trotzdem weiß Deschner, dass er sein wohl wichtigstes Werk vollenden
muss. Acht Bände der Kriminalgeschichte sind bislang erschienen,
der neunte ist bereits in Arbeit.
Dass Deschner im Mai achtzig wird, sieht man dem Mann wirklich nicht an.
Er ist immer noch flink auf den Beinen, sein Schritt ist fest, sein Verstand
messerscharf. Alle, die ihn schätzen, wünschen ihm, dass dies
noch lange so bleiben möge. In diesem Sinne, lieber Karlheinz Deschner,
alles erdenklich Gute zum 80. Geburtstag!
Michael Schmidt-Salomon
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