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Leseprobe 1

Die Leichensynode

Stephan VI. (896-897), wiederum ein Priestersohn, erkannte zunächst Kaiser Arnulf an, ging indes, als Kaiser Lambert von Spoleto erneut Rom in die Hand bekam, zu diesem über, den im Mai 898 auch die große Synode von Ravenna nochmals ausdrücklich bestätigt hat. Inzwischen aber vollzog Stephan als Kreatur des Spoletinerhauses dessen Rache an Formosus. Obwohl einst selbst von Formosus zum Bischof geweiht, obwohl selbst unkanonisch auf den römischen Stuhl gewechselt, machte er nun dem toten Papst in aller Form den Prozeß.

Der seit neun Monaten Bestattete wurde jetzt, bereits stark angefault, von den Anhängern der Widonen aus dem Grab gerissen, in Pontifikalgewänder gesteckt und wohl im Januar 897 vor der «Leichensynode» in St. Peter auf den sogenannten Apostolischen Stuhl gesetzt. Darauf hielt man drei Tage in aller Form über die herausgeputzte Mumie Gericht, die drei Kläger, die Bischöfe Petrus von Albano, Silvester von Porto und Paschalis (mit unbekanntem Bistumssitz) sowie einen Diakon als Pflichtverteidiger an die Seite bekam, der mit zittriger Stimme und natürlich unbefriedigend für sie geantwortet hat.

Man fand einige Vorwände; warf dem halb Verwesten Eidbruch vor, wovon ihn allerdings Marinus I. schon losgesprochen. Man bezichtigte ihn des ehrgeizigen Strebens nach dem Papstamt, wessen man ungezählte Päpste (und andere Prälaten) selbstverständlich ebenfalls hätte bezichtigen können. Und man kreidete ihm den Übergang von Porto nach Rom, von einem Bistum in ein andres an, damals, nach alter Tradition, zwar generell verboten, gelegentlich jedoch erlaubt. Hatte ja sein fürchterlicher Richter, Papst Stephan VI., eine solche Translation in persona vorgenommen, nämlich seinen Bischofssitz Agnani mit dem römischen vertauscht. (Waren aber alle Weihen des Formosus ungültig, so auch die Konsekration Stephans zum Bischof von Agnani, da sie Formosus vollzogen, womit dann freilich keine Translation mehr vorlag, Stephan Vl. also zu Recht auf dem Papstthron saß!)

Vielleicht ist ja nicht einmal der Vorgang an sich, der Einfall eines von kaum glaublichem Haß verzehrten Heiligen Vaters das Erstaunlichste an einer Sache, die wie das Szenario aus einer Nervenklinik, ein Alptraum anmutet, als die Tatsache, daß diesem geistlichen Gruselkabinett eine ganze Bischofsversammlung drei Tage beiwohnt - sei es nun ehrfürchtig oder nicht. Wie es in diesem Rahmen auch ganz gleichgültig ist, ob Formosus ein Ganove war oder nicht! Man kann der Menschheit wirklich alles bieten - zumal der gläubigen...

Am Ende des makabren Schmierenstücks - von den Quellen bald das «erschütternde Schauspiel», die «Schauersynode» (horrenda synodus) genannt - erklärte man Formosus für abgesetzt, die von ihm erteilten Weihen für ungültig, unterschrieb ein entsprechendes Dekret, verfluchte ihn und befahl, alle von ihm Geweihten nochmals zu weihen. Man riß der Leiche sozusagen protokollgerecht die papalen Gewänder bis auf ein Hemd herunter, hülte sie in Laienklamotten, schlug ihr ein paar Finger der rechten Hand, die Schwur- bzw. Segensfinger ab und schleifte sie barbarisch brüllend aus der Kirche und durch die Straßen. Schließlich warf man sie unter dem Protestgeschrei der Zusammengeströmten erst in eine Grube, worin man namenlose Fremde verscharrte, dann, nachdem man sie nochmals ausgegraben, nackt in den Tiber - gerade in einer Zeit, in der die alte Basilika des Lateran zusammenbrach, worauf die Römer jahrelang den kostbaren Schutthaufen nach Schätzen durchwühlten.

Auch Papst Stephan überlebte die Prozedur nicht lang. Noch im selben Jahr, im Juli 897, wurde er bei einer Volkserhebung, hinter der wohl die ostfränkische Partei Roms und der Anhang des Formosus standen (nicht zuletzt auch etliche Wunder, die dessen elende Leiche bewirkt haben soll), abgesetzt, seiner Insignien beraubt, in einen Klosterkerker geworfen, erwürgt - und später durch ein prächtiges Epitaph geehrt.

Das Böse aber erkannte stets niemand besser als die Päpste.

entnommen aus: Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums, Band 5, Seite 332-334

Leseprobe 2

Papst Paschalis blendet und köpft, wird heilig und im Kalender wieder gestrichen

Das Böse aber erkannte stets niemand besser als die Päpste.

Paschalis, zum Beispiel, erkannte es selbst in den eigenen Ministern, und zwar, interessanterweise, in den führenden Köpfen der profränkischen Partei. Deshalb wurden zwei der höchsten päpstlichen Beamten, der hochadelige Primicerius Theodor (noch 821 Nuntius am fränkischen Hof) und sein Schwiegersohn, der Nomenclator Leo, 823, nach Lothars Abzug, «wegen ihrer Treue gegen Lothar» (Astronomus), weil sie, berichten auch die Reichsannalen, «in allen Stücken treu zu dein jungen Kaiser Lothar gehalten», durch päpstliche Bedienstete ein Lateranpalast geblendet und geköpft - ohne jedes Rechtsverfahren. Dabei schrieb man dem Papst oder doch «seiner Zustimmung alles zu», sagt der Astronom.

Die ganze Sache erinnert etwas an die blutige Prozedur des hl. Leo III. im Jahr 815 (S. 57f.). Der Monarch aber sandte auch 823 seine Richter nach Rom und zog sich für den Rest des Sommers sowie für den Herbst in den Wormsgau und zur Jagd in die Eifel zurück. Doch Paschalis (bei den Römern so beliebt, daß es noch bei seinem Leichenbegängnis zu Tumulten kam) stritt jede Mitschuld ab und entzog sich, Grund genug dafür mochte er haben, dem Verfahren, indem er - ein schon durch den hl. Leo lII. im Dezember 800 erprobtes (IV 449), besonders bei den kirchlichen Offizialaten häufiges «Beweismittel» - unter Beihilfe von 34 Bischöfen sowie fünf Presbytern und Diakonen öffentlich den Reinigungseid schwor. Zugleich verfluchte er die Ermordeten als Hochverräter, nannte ihrenTod einen Akt der Gerechtigkeit, hätten sie doch als Majestätsverbrecher ihr Schicksal verdient, und nahen die Mörder als Dienstleute des hl. Petrus (de familia sancti Petri) «aufs entschiedenste in Schutz» (Annales regni Francorum).

entnommen aus: Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums, Band 5, Seite 63

 

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des Christentums

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